Bay of Islands & Cape Reinga

Wenn sich zwei Meere treffen


Bericht No. 14

Quick Facts

  • Land: Neuseeland (Region Northland)
  • Reisezeitraum: 03.03.2020 – 07.03.2020
  • Route:

I. Auckland & Bay of Islands
II. Cape Reinga & Ninety Mile Beach


I. Auckland & Bay of Islands

Ein Wiedersehen in Auckland


Nach unserer Landung in Auckland laufe ich voll bepackt hinter Julian her. Vielmehr hinter einem hohen Rucksackturm auf zwei Beinen. Denn darin versteckt sich neben dem regulären Reisegepäck dieses Mal auch ein Campingstuhl. Es ist ein bisschen wie mit Hermines magischer Handtasche. Immer wenn bei meinem Rucksack mal wieder nichts mehr geht, verstaut Julian es bei sich mühelos. Sehr spannend wie viele Dinge sich in vier Camper-Wochen ansammeln, auf die man nur ungern wieder verzichten möchte.

Als wir endlich bei der Spaceship Campervermietung ankommen sind wir erleichtert. Nicht nur weil wir unser Gepäck abstellen können. Sondern auch darüber, dass unser Spaceship namens „Bolt“ doch in dezentem Weiß anstatt knallrot daherkommt. Wir freuen uns riesig über das Upgrade, denn wir hatten nicht mit Ferrarirot sondern eher mit „seit 15 Jahren unter neuseeländischer Sonne“-Rot gerechnet.

Bolt fährt sich dank Automatikgetriebe und genügend PS sehr entspannt. Der Fahrkomfort ist definitiv ein großer Pluspunkt, auch wenn dies natürlich zu Lasten des Campingkomforts geht. Kein aufrechtes Stehen mehr, gekocht wird auf einer Platte unter der geöffneten Heckklappe und der Stauraum befindet sich hauptsächlich unter der Liegefläche. Wir schaffen es zum Glück ohne Probleme unser Gepäck unterzubringen und stehen für die erste Nacht auf einem Campingplatz  etwas außerhalb Aucklands am Takapuna Beach.

Der Neue  – Wir stellen vor: unser Spaceship namens Bolt.  Ja wir geben es zu, er hat es mit seinem geringen Platzangebot schwer, gegen unseren Wendekreisen  Camper anzukommen.

Am Abend fahren wir in die Innenstadt von Auckland, um uns mit Jason und David zu treffen. Beide lernten wir während der einwöchigen Tauchsafari in  Raja Ampat   kennen. Nach leckerem Essen in Jasons Wohnung ziehen wir in die K‘ Road weiter, die als die hippe Ausgehmeile von Auckland gilt. Am Montag ist es dort eher ruhig aber wir verbringen einen schönen und lustigen Abend. Auch ein Corona-Bier wir getrunken und noch können wir über den Wortwitz lachen. Immerhin gibt es bislang erst einen an Covid-19 Erkrankten in Neuseeland. Mit vielen Tipps für unsere weitere Reise auf der Nordinsel ausgestattet verabschieden wir uns. Jason und David, beides Ärzte, müssen am nächsten Morgen früh raus. Ah ja Arbeiten – da war was. Da wir weder ein Gefühl für die Wochentage noch Termine oder Wecker haben, hätten wir es durchaus noch länger ausgehalten.

Auf dem Rückweg sind wir uns einig, wie sehr es uns gefallen hat, einfach unter Leuten zu sein und einen kurzen Einblick in deren Leben zu bekommen. Zwar freuen wir uns auch auf die Sehenswürdigkeiten der Nordinsel aber so ein bisschen Normalität mit Freunden wäre zur Abwechslung auch schön.

Wir kommen unter Leute – Wiedersehen mit Jason und David (rechts und links von Anika) und deren Freunde.

David empfiehlt uns eine Wanderung mit toller Aussicht auf den Whangarei Heads im Norden Aucklands und so steuern wir den dortigen Ocean Beach an, um am nächsten Morgen direkt mit der Tour starten zu können. Doch leider wird diese zweite Nacht unerträglich.

Im Auto ist es drückend heiß und zunehmend stickig. Um wieder atmen zu können, müssen wir die Fenster öffnen. Neben der frischen Luft finden so natürlich auch zahlreiche Moskitos ihren Weg zu uns ins Autoinnere. Unzählige Stiche später wachen wir am Morgen völlig fertig auf. Blutspende für Neuseeland abgeschlossen. Das erklärt wohl die unschönen Spuren an der Autodecke. Wir brauchen dringend Moskitonetze für die Fenster! Koste es was es wolle. 

Während aus der Stranddusche kein einziger Wassertropfen kommt, fallen vom Himmel zunehmend dickere TropfenDas Wandervorhaben stand nach dieser Nacht bereits unter einem schlechten Stern aber nun fällt die Tour endgültig ins Wasser. 

Ein wetterfester Plan B ist gefragt und so steuern wir auf der Mission „Moskitonetz“ eine klimatisierte Shoppingmall an. Natürlich dauert es nicht lange bis ich dabei ein Rebel Sports Geschäft erspähe und sogar hübsche neue Sportschuhe finde. Ein guter Fund nachdem einer meiner Turnschuhe auf der Südinsel verloren ging. In einem Fachgeschäft finden wir letztendlich auch passende Moskitonetze und können so beruhigter schlafen. 

Leider klart das Wetter nicht wirklich auf und auch die Stopps auf dem weiteren Weg fallen ins Wasser. Während einer kurzen Trockenphase fangen wir an, Mittagessen zu kochen und noch währenddessen fallen schon wieder dicke Tropfen auf das Heckdach. Zuerst versuchen wir auszuharren aber als der Regen immer stärker wird, flüchten wir uns zum Essen schnell auf die zwei Vordersitze. Der Regen prasselt unablässig auf die Frontscheibe.

Herrje – es ist ja schön, dass es hier nach so langer Trockenzeit endlich mal regnet, aber muss das ausgerechnet dann sein, wenn wir nur eine Außenküche haben! Seufz – das war mit dem größeren Camper alles besser.

Wir fahren noch bis Paihia weiter und wollen einfach nurnoch duschen und im Trockenen chillen. Immerhin finden wir einen schönen Platz mit eigenem kleinen Pavillion. Hier kann man auch bei Regen frühstücken und Yoga machen. Trotzdem drückt das Regenwetter etwas aufs Gemüt. Wir halten uns viel im Aufenthaltsraum des Campingplatzes auf. Nicht gerade der Grund weshalb wir campen wollten. Durch die Kombination aus Regen und einem zum Chillen zu kleinen Auto sinkt doch etwas die Lust auf die Weiterreise. Als es aufklart, spazieren wir immerhin zu einem kleinen Wasserfall in der Nähe und versuchen so das Beste aus dem Tag zu machen.

Im Aufenthaltsraum lernen wir eine deutsche Familie kennen, die mit zwei Kindern ebenfalls auf Weltreise ist. Als sie erzählen, dass sie hauptsächlich free campen bin ich wirklich erstaunt. Nach unserer letzten Nacht auf dem kostenlosen Parkplatz ist das für mich überhaupt nicht vorstellbar. Aber wahrscheinlich macht der deutlich größere Camper mit Dusche und Toilette dann doch den Unterschied.


II. Cape Reinga & Ninety Mile Beach

Wenn sich zwei Meere treffen


Das Wetter wird zum Glück besser. Von Paihia aus fahren wir durch die Stadt Kerikeri und haben fortan einen bekannten Modern Talking Hit im Ohr. Damit geht es weiter zu den schönen Rainbow Falls sowie zur Matai Bay. Mal wieder liegt in bester Lage am Bilderbuchstrand ein DOC Campingplatz aber wir entschließen uns, noch ein Stück weiterzufahren.

Reicht die Zeit vielleicht sogar, um heute bis zum Cape Reinga dem nördlichsten Punkt Neuseelands zu kommen?

Wir wagen es und erreichen den Parkplatz am Ende der Nordinsel am späten Nachmittag. Erstaunlicherweise ist er bis auf wenige Autos leer. Zu Fuß führt ein schmaler Weg bis zum äußersten Punkt des Cape Reinga. Ein weißer Leuchtturm trotzt hier allen Wetterlagen. Ungebremst rauscht der Wind um unsere Köpfe, die Sonne scheint und die Sicht ist spektakulär.

Cape Reinga – Das späte Ankommen sorgt für Ruhe am nördlichsten Punkt Neuseelands.

Endlos weites Meer breitet sich vor uns aus. An einer Stelle werden die Wellen scheinbar vom Wind nach oben gepeitscht. Doch bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass die Wellen aus entgegengesetzter Richtung aufeinander zulaufen. Sobald sie aufeinandertreffen wirbelt der Wind das Meerwasser nach oben – hier trifft die Tasmansee auf den Pazifik. Während unten beim Wasser viel passiert umgibt uns hier oben eine unbeschreibliche Ruhe.

Dieser Ort hat für die Maori eine ganz besondere Bedeutung. Die beiden sich treffenden Meere beschreiben das männliche und weibliche Prinzip, das aufeinandertrifft und so die Entstehung des Lebens symbolisiert. Gleichzeitig sollen die Seelen der Verstorbenen über diesen nördlichsten Landzipfel die Erde verlassen und in das Land der Ahnen zurückkehren.

Auch wir spüren die besondere Stimmung des Ortes. Er verströmt absolute Ruhe und Weite. 

Um uns herum keine Begrenzung, keine Mauer oder Einschränkung. Nur die endlose Weite des Meeres und der Wind, der um unsere Köpfe weht. Das Gefühl vollkommener Freiheit.

Gleichzeitig sitzen wir sicher und fest auf dem warmen, kurzen Gras. Den Blick in die Ferne gerichtet. Noch ewig könnte ich im angenehmen Licht der Sonne sitzen bleiben. Unerschütterlich, ein Gefühl der Sicherheit und gleichzeitig vogelfrei. Nicht nur zwei Meere fließen hier zusammen. Irgendwie scheint hier das Gefühl der vollkommenen Freiheit und gleichzeitig Geborgenheit zusammenzufinden. Und auch die wenigen anderen Menschen halten inne und genießen den Ort.

Schon während wir so dasitzen, uns in der Sonne wärmen und die frische Luft einatmen weiß ich, dass wir uns noch lange an diesen Moment zurückerinnern werden. Eine Erfahrung, die sich nicht nur im Kopf sondern auch gefühlt im Bauch einprägt.

Zurück auf dem Parkplatz kommen wir mit zwei Neuseeländerinnen ins Gespräch. Mit der Frage ob wir Avocados mögen öffnen sie den Kofferraum ihres Kleinwagens und eine randvolle Kiste kommt zum Vorschein. Avocado heaven! Sie schenken uns bestimmt 10 Stück und wir sind vor Begeisterung völlig von den Socken.

Im langsam schwindenden Licht der untergehenden Sonne fahren wir zurück und bewundern die unbewohnte Landschaft um uns herum. In der Ferne türmen sich riesig hohe Sanddünen auf. Doch das Tageslicht wird immer weniger und so ziehen wir weiter.

Die letzten Kilometer zu unserem Campingplatz bei der Hukatere Lodge sind unbefestigt. Vorsichtig ruckeln wir im Dunkeln über eine wellblechförmige Schotterpiste. Plötzlich tauchen Wildpferde vor uns auf. Sie laufen über die Straße und verschwinden schnell wieder auf der gegenüberliegenden Seite. Wow, hier wundert mich bald nichts mehr.

Wobei, als wir ankommen sind wir doch überrascht. Denn von der freundlichen Inhaberin Gabi ist keine Spur. Stattdessen „empfängt“ uns ein ca. 60 Jähriger grummeliger Deutscher. Er verbreitet schlechte Stimmung und meckert. Lieber wäre er mit dem Fahrrad in kälteren Gefilden. Russland oder sowas. Wow, grumpy cat ist tatsächlich aus Versehen im schrecklichen Neuseeland gelandet. Was für eine Tragödie! Vielleicht würde der Besuch beim Cape Reinga ja seinem inneren Seelenfrieden wieder auf die Sprünge helfen.

Wir reisen am nächsten Morgen schnellstmöglich ab und schauen uns den in unmittelbarer Nähe gelegenen 90 Mile Beach an. Dieser endlos weite Strand wird von Einheimischen auch als Straße genutzt. Er ist zwar keine 90 Meilen lang aber für den einmal jährlich stattfindenden 63km langen Lauf reicht er locker.

Unser heutiges Ziel ist der Waipua Forest, in dem der älteste und größte Kauri-Baum Neuseelands steht. Auf dem Weg dorthin halten wir in der Kleinstadt Kaikohe. Im Supermarkt staunen wir nicht schlecht. Am Ausgang sind groß und in Farbe alle Ladendiebe und deren Diebesgut abgebildet. Eine ganze Wand hängt voll. Die Strategie ist ungewöhnlich scheint aber aufzugehen, denn bei manchen Bildern wurden von Einkaufenden bereits Namen oder Facebook-Profile ergänzt. Zum ersten Mal haben wir den Eindruck, etwas von den sozialen Problemen in Neuseeland mitzubekommen. Auch ist die Stimmung während unseres Mittagessens im Park nicht gerade einladend und so fahren wir schnell weiter.

Am Waipua Forest angekommen müssen wir wie alle Besucher zunächst unser Schuhwerk gründlich reinigen und desinfizieren, was bei Flipflops nicht allzu schwierig ist. Damit sollen die Kauri Bäume vor einem grassierenden Pilz geschützt werden, der ihre Wurzeln befällt und sie absterben lässt. Auch der „Tane Mahuta“ – der Gott des Waldes – gehört zur Gattung der Kauri Bäume. Nach Auffassung der Maori ist er das Kind von Mutter Erde und dem Himmelsvater und gilt als Erschaffer und Hüter der Natur, der Tiere und auch der Menschen. Mit rund 2000 Jahren ist er auf jeden Fall der älteste (bekannte) Baum dieser Gattung und mit über 13 Metern Umfang ein wirklich stattliches Exemplar. Zum Glück scheint er bislang nicht von der Kauri-Krankheit befallen zu sein.

Nach diesem interessanten Stopp zieht es uns weiter in den Süden bis wir fast auf der Höhe Aucklands am Muriwai Beach ankommen. Das trifft sich gut, da wir schon bald wieder nach Auckland aufbrechen werden, um uns mit den einzigen uns bekannten Ärzten zu treffen. Warum genau erfahrt ihr im nächsten Artikel.

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