Lake Hawea & Milford Sound
Strahlend blau bis stürmisch grau
Bericht No. 12
Quick Facts
- Land: Neuseeland (Südwesten der Südinsel)
- Reisezeitraum: 17.02.2020 – 22.02.2020
- Route:
I. Lake Hawea
Neuseeland macht seinem Namen alle Ehre
Am Ufer des türkisblauen Lake Hawea blicken wir auf die von der Sonne glitzernde Oberfläche. Nur ein Bergrücken trennt ihn vom dahinterliegenden Lake Wanaka, den wir nach unserer Ankunft von der rauen Westküste als erstes bestaunten. Wir halten mit dem Camper auf einem weitläufigen Campingplatz direkt am See und haben das Gefühl, in einem ganz anderen Neuseeland angekommen zu sein.
Das Gewässer erstreckt sich bis weit in die Ferne. Karge, unbewohnte Berge begrenzen sein Ufer. Der Himmel und die tief darüber hängenden Wolken erscheinen endlos weit. Hier bleiben wir!
The Camp – Wir übernachten direkt am See und genießen das Panorama.
Am Abend tauchen die warmen Farben der untergehenden Sonne die gegenüberliegenden Berge in gelb-orange und schließlich rotes Licht. Wow! Ich halte einen Moment inne und genieße. Die besondere Stimmung um mich herum überträgt sich und schafft Zufriedenheit und innere Ruhe.
Wie sagt man doch: „Sunsets never get old“. Die Natur zeigt sich von ihrer spektakulärsten und gleichzeitig sanftesten Seite und scheint alles nochmal ins rechte Licht zu rücken bevor die Nacht die Oberhand gewinnt.
Am nächsten Morgen liegt der See spiegelglatt da. Unsere äußerst sportliche Nachbarin, vermutlich Triathletin, schwärmt im triefend nassen Badeanzug anderen Campern von ihrem heutigen Schwimmtraining vor – gar nicht kalt!
Ja genau – bei Ihrer Willenskraft ist wahrscheinlich jedes Wasser warm, denke ich mir. Die neuseeländischen Gewässer sehen zwar immer traumhaft aus, aber je nach Strömung erwartet einen eine äußerst fröstelige Angelegenheit.
Doch dann packt mich die Neugierde! Bikini an und mit schnellen Schritten Richtung Wasser. Füße sind drin, Beine auch. Jetzt schnell losschwimmen, bevor ich es mir anders überlege. Der See ist kalt und jede Körperzelle plötzlich wach. Ein toller Start in den Tag, insbesondere wenn danach eine warme Dusche wartet.
In der Touristeninformation im nahegelegenen Wanaka hoffen wir neue Informationen zur Lage am Milford Sound Fjord zu bekommen. Einige Tage zuvor fanden wir bei der Recherche zum herannahenden Unwetter am Franz Josef Gletscher heraus, dass der einzige Zugang zum Fjord noch immer gesperrt ist – ohne Datum für eine Wiedereröffnung. Die Zerstörungen durch die starken Regenfälle, die wir an der Ostküste nur als Sturm erlebten, scheinen wirklich gravierend zu sein.
Wir haben Glück und sind genau zur richtigen Zeit gekommen: in voraussichtlich drei Tagen soll die allererste geführte Tour im Konvoi zum Fjord stattfinden! Wir schlagen direkt zu und buchen zwei Plätze. Auch wenn die Strecke mit dem Camper sicher reizvoll gewesen wäre, ist völlig unklar, wann dies für Individualreisende möglich sein wird. Glücklich über unseren Spontankauf schmieden wir Pläne für die kommenden Tage.
Am nächsten Tag unternehmen wir eine anstrengende Wanderung zum Isthmus Peak. Er bildet den Gipfel der Landzunge zwischen dem Lake Hawea und Lake Wanaka und liegt auf 1386 Metern. Nur 1000 Höhenmeter wollen erklommen werden. Julian läuft wie eine flinke Bergziege die steilen Wege hoch – trotz des Rucksacks voller Kameraausrüstung. Ich bin völlig erstaunt, welche Kräfte durch die Vorstellung der 360 Grad Aussicht am Gipfel bei ihm mobilisiert werden. Bei mir sieht das etwas anders aus.
Scheinbar auch von außen, denn von einem entgegenkommenden Paar bekomme ich im letzten Drittel des steilen Anstiegs deren Wanderstock überreicht. Überschwänglich bedanke ich mich und bin heilfroh über die Wanderhilfe! Nach 2,5 Stunden haben wir es geschafft – viel schneller als gedacht. Das kommt also dabei heraus, wenn Julian gute Aufnahmen wittert.
Zwei Seen! – Am Ende vom Isthmus Peak Track hat man einen tollen Blick auf beide Seen: links Lake Wanaka und rechts Hawea.
Wie immer schmeckt die Vesperpause am Gipfel besonders köstlich und ist zusammen mit der spektakulären Aussicht die beste Belohnung für den Aufstieg! Um uns herum die Spitzen der neuseeländischen Südalpen und die beiden blauen Seen dazwischen. Die Schatten der Wolken ziehen über die Wasseroberfläche und in jede Richtung gibt es etwas zu beobachten.
Nur der schneidende Wind an der Bergkuppe lässt uns den Rückweg antreten. Wieder erweist sich mein Wanderstock als äußerst hilfreich. Beim Startpunkt des Weges angekommen stellen wir ihn für die nächsten Wanderer ab.
Andere Perspektive gefällig? – Lake Hawea vom DOC Campsite Kidds Bush Reserve. Genauso schön, kostet aber nur die Hälfte.
Abschließend zu unsere Zeit am See steuern wir einen günstigen aber idyllisch gelegenen DOC Campingplatz an einem anderen Teil des Lake Hawea an und springen zuallererst ins Wasser. Eine super Erfrischung nach der schweißtreibenden Wanderung und auch die Dusche wäre damit erledigt. Die gibt es hier nämlich sowieso nicht.
II. Milford Sound
Eine aufregende Fahrt in den Fjord
Auf dem Weg nach Te Anau, dem Ausgangspunkt unserer Tour zum Milford Sound, stoppen wir auch in Queenstown. Die Stadt ist bekannt für extreme Outdoorsportarten wie Bungee-Jumping und bei unserer Ankunft kreisen bereits einige Paraglider hoch oben über unseren Köpfen.
Da wir beide keine Bungee-Ambitionen haben, schauen wir uns nur die Innenstadt, den Hafen sowie den botanischen Garten an. Alles sehr hübsch angelegt und an der Promenade gibt es sogar einige Luxusläden, was nicht so recht zum Outdoormekka Neuseeland passen will.
Queenstown – Im kleinen Park am Ufer des Sees lässt es sich entspannt schlendern.
In Ufernähe fällt uns ein Wasserjet in Form eines Delphins auf, der mit ordentlichem Tempo übers Wasser rast, darin eintaucht und wieder herausschießt. Darauf hätte ich nun doch Lust aber ist sicher nicht die preiswerteste Aktivität. Und so geht es weiter zum eigentlichen Ziel des Tages – Te Anau.
Die nach dem gleichnamigen See benannte Stadt ist das Tor zum Fiordland Nationalpark. Dieser größte Nationalpark Neuseelands zeichnet sich durch seine Abgeschiedenheit und widrigen Wetterverhältnisse aus. Mit rund 2000 Einwohnern ist Te Anau eher ein größeres Dorf. Da der Süden allerdings so spärlich besiedelt ist, geht dies wohl schon als Stadt durch.
Am Morgen unserer Tour zum Milford Sound sind nicht nur wir auf den heutigen Tag gespannt. Wir werden überschwänglich begrüßt und beglückwünscht, dass wir die erste Gruppe sind, die nun nach drei Wochen Sperrung zum Fjord darf. Auch der Busfahrer, der gleichzeitig unser Tourguide ist, freut sich riesig auf seine erste Tour. In welchem Zustand wird die Straße wohl sein? Welche Zerstörungen wird man am Wegesrand noch sehen?
Die Wettervorhersage verspricht typisches Milford Sound Wetter – Regen, Regen und noch mehr Regen. Die Westküste gehört zu den Regionen mit den stärksten Regenfällen der Welt. Es spricht für sich, dass der jährliche Niederschlag hier in Metern statt in mm angegeben werden kann. Im Jahr 2019 war Milford Sound mit 8417 mm Niederschlag der regenreichste bewohnte Ort Neuseelands.
Am Tag des Unwetters Anfang Februar gingen innerhalb von 24 Stunden sagenhafte 500 Liter Regen pro Quadratmeter nieder – so viel wie normalerweise in einem ganzen Monat. Kein Wunder, dass die einzige Zufahrtsstraße den Wassermassen an einigen Stellen nicht standhielt und weggerissen wurde.
Wir fahren mit zahlreichen weiteren Bussen im Konvoi über die teilweise provisorisch planierte Straße. Regen, Nebel und Wolken begleiten uns im Wechsel. An einigen Stellen sind die Spuren des Hochwassers und das Geröll der Erdrutsche noch deutlich erkennbar und lassen erahnen, welche Kräfte während des Unwetters wirkten.
Wenige Meter weiter beeindruckt die einzigartige und völlig intakte Natur umso mehr. Dunkle, tiefgrüne Wälder mit farnbedeckten Waldböden und hohen, dicht mit Moos überwucherten Bäumen. Die mystische Schönheit wird durch den Nebel noch hervorgehoben. Die Landschaft wird immer rauer während sich der Highway durch enge Schluchten windet.
Rechts und links vom Fenster ragen steile Felswände empor. Überall Rinnsale und vom Regen neu entstandene Wasserfälle. Manche so zart, dass das Wasser vom Wind fortgetragen wird bevor es am Boden ankommt. Andere so donnernd als wären sie nicht nur temporär.
Beeindruckendes Schauspiel – Von überall kam das Wasser herunter.
Am Milford Sound werden wir direkt zum Boot gefahren und die Fahrt durch den Fjord beginnt. Eigentlich ist nun Lunch im Bootsinnern angesagt, aber nichts kann Julian auf seinem Platz halten. Lieber Sturm und Wind am Oberdeck als trocken nur die Hälfte sehen. Mit einem Sandwich gestärkt wage auch ich mich nach oben. Starke Windböen mit Regen wehen mir entgegen, sodass ich schnurstracks wieder die Treppe hinuntersteige. Igitt.
Kurze Zeit später wage ich noch einen Versuch. Gegen den Wind stemmend schwanke ich zu Julian an die Reling. Der Regen ist weg und ich betrachte die unglaubliche Landschaft um uns herum: Steile, teilweise von Wolken verhüllte Fjordwände, über die sich unzählige Wasserfälle ergießen. Dann bringt der Wind plötzlich wieder Regen mit sich und peitscht ihn mir ins Gesicht. Die Regenjacke hat ihren ersten richtigen Einsatz seit drei Monaten und hält zum Glück durch. Es macht immer mehr Spaß hier draußen zu sein und das ständige Auf und Ab von Windböen und Regenschauern gehört einfach dazu. Am Ende blitzen sogar einzelne Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke und erleuchten Teile des Fjords.
Nach eineinhalb Stunden auf dem ungeschützten Oberdeck verlassen wir das Boot ordentlich durchgeweht und glücklich – fast wie berauscht. Auch wenn der Busfahrer uns eindringlich rät, auf der Rückfahrt nicht zu schlafen, um nochmals die tolle Landschaft zu bewundern, fallen meine Augen unwillkürlich zu. Ich hatte wohl auch nur eine kleine Chance.
Milford Sound. So viele schwärmten uns vorab von diesem Ort vor und die Messlatte lag durchaus hoch. Doch ohne Zögern gehört der Besuch im Fjord zum Höhepunkt der bisherigen Neuseelandreise. Eine unvergessliche Erfahrung und sicherlich haben die besonderen Umstände auch ein wenig dazu beigetragen. Jetzt gehören wir wohl auch zu den Milford-Schwärmern.
Als wir einige Tage später bei einer Wanderung zufällig zwei Polen wiedertreffen, die wir auf dem Weg zum Lake Hawea kennenlernten, antwortet Julian auf die Frage nach dem Wetter im Milford Sound völlig begeistert und mit leuchtenden Augen: „Really good! — It was raining all the time!“ ?
Die Kombination schafft wohl nur dieser Fjord.